Die Gilmore Girls haben mein Leben verändert. Genau aus diesem Grund blicke ich der Rückkehr der beiden redegewandten Verrückten aus Stars Hollow nicht so erfreut entgegen wie alle anderen. Nein, ich fürchte mich vielmehr. Ich fürchte mich davor, dass mir mit einem TV-Comeback endgültig das Herz gebrochen wird.

Ich liebe Netflix. Und ich liebe die Gilmore Girls. Doch ich habe Angst. Sieben Jahre lang kam ich nach Hause und wurde bereits erwartet. Hatte ich nach der Schule die Hausaufgaben fertig, weinte sich Rory Gilmore an meiner Schulter über den Stress an der Chilton und ihre nervigen Klassenkameraden aus. Hatte ich während des Studiums vorlesungsfrei, verbrachte ich den Tag mit Lorelai in Lukes Café und beobachtete Miss Patty dabei, wie sie kleine Ballerinas über die Straße scheuchte. Ich gewöhnte mir das essen mit Händen an, erweiterte meine Plattensammlung um Lanes Lieblingsbands, versuchte mich in der Küche an Sookies neuesten Kreationen und begab mich in eine Sucht, die ich bis heute nicht wieder in den Griff bekommen habe: Kaffee. Ich lernte die Schickeria zu lieben und zog wegen Veranstaltungen wie denen von Emily Gilmore nach München.

Doch dann kam, was niemand erwartet hatte: Im Jahr 2007 musste ich mich zwangsläufig und schmerzerfüllt damit abfinden, dass mir Warner Brothers meine Existenzgrundlage entzog. Die Serie wurde eingestellt, die Gilmore Girls verließen Stars Hollow und damit auch mein Leben. Ich blieb enttäuscht und verletzt zurück, fühlte mich verraten von einem inakzeptablen Serienende und hoffte, dass die Wunde schnell heilen würde. Im Laufe der Jahre lernte ich neue Serien und Charaktere kennen und war froh, dass ich die Trennung von meiner großen TV-Liebe endlich verkraftet hatte. Dennoch malte ich mir manchmal in schlaflosen Nächten aus, wie es wohl gewesen wäre, wenn Luke und Lorelai geheiratet hätten oder Rory Logans Antrag angenommen hätte.

Ich kann nicht loslassen – ihr wusstet das, Gilmore Girls

Als ich acht Jahre alt war, lernte ich Marc kennen. Marc war der Enkel des Bruders meines Großvaters, also ein entfernter Cousin meines Familienzweiges, der nach dem Krieg nach Kanada ausgewandert war. Ich schwöre und bin mir bis heute sicher, dass Marc aussah wie der junge Elvis. Meine Oma hatte mich in dieser Meinung stets bestätigt, daher gilt sie als Gesetz. Marc war damals 19, groß gewachsen, hatte stechend hellblaue Augen. Er wollte seine Wurzeln kennenlernen und besuchte uns daher in Deutschland. Ich hatte mich bei seinem Anblick ganz unsterblich in ihn verliebt. Verstärkt wurden diese Gefühle durch eine Halskette mit einem silbernen Anhänger aus lauter kleinen Spiegelflächen, die er mir geschenkte. Ich war mir sicher, wir würden eines Tages heiraten.

Als eines Tages schließlich zur Gegenwart wurde, war Marc bereits verheiratet und hatte zwei Kinder. Zu Weihnachten schickte er Fotos von seiner kleinen Familie und ich machte drei Kreuze, dass aus uns beiden niemals ein Paar geworden war. Marc wog inzwischen zwei Zentner, hatte mehr Haare im Gesicht als auf dem Kopf und lebte offen seine Liebe zu weiten T-Shirts mit peinlichen Sprüche-Prints.

Ich habe ein Händchen für Enttäuschungen

Ähnlich verhielt es sich mit Andreas. Wir waren meine gesamte Pubertät hindurch befreundet, bis mir sein Lächeln und ihm meine Brüste aufgefallen waren. Er war meine erste große Liebe, wir machten viele Ausflüge zusammen und telefonierten stundenlang. Beziehungen führte er aber ausschließlich mit allen anderen Mädchen meines Dorfes. Für ein besonders eifersüchtiges Exemplar dieser Art mussten wir unsere Freundschaft kurzzeitig auf Eis legen. Aus kurzzeitig wurden vier Jahre und als wir uns wiedersahen, folgten Andreas auf Schritt und Tritt eine Ehefrau, zwei Kleinkinder und deutlich mehr Körpergewicht.

Er tat mir leid, ich tat mir leid, es war fürchterlich. Wieder einmal wurde etwas, das sich in meinem Kopf und meinen Gedanken als ganz wunderbar angefühlt hatte, von der Realität zunichte gemacht. Wie hätten die Gilmore Girls nur reagiert? Nun, das wusste ich nur zu gut, denn während der sieben Jahre, in denen sie Stars Hollow unsicher gemacht hatten, wurde ungefähr jedes Szenario in Sachen Liebe, Abschied und Happy End durchgespielt.

Ihr freut euch auf das TV-Comeback? Ich zittere vor Angst

Doch nichts davon bot mir Hilfe, als ich aufgrund einer unerwarteten Neuigkeit in ein schwarzes Loch zu rutschen drohte: Die Girlmore Girls kommen zurück. Netflix hatte sich den Hilferufen der Fans und neuen Ideen von Familie Sherman-Palladino angenommen und beschlossen, dass man der Welt eine Rückfahrkarte nach Stars Hollow schenken müsse. Ich hatte nie darum gebeten, denn ich bin ein gebranntes Kind was Wiedersehen mit alten Liebschaften angeht.

Natürlich verstehe ich, welcher Romantik Fans der Serie verfallen sind. Es ist die Hoffnung auf das eigentliche große Finale, auf den langersehnten Glücksmoment, dass endlich zusammenfindet was zusammengehört. Sie sehnen sich danach, dass das, was sie verloren glaubten, doch noch zu ihnen zurückkehrt. Ich würde darauf liebend gern verzichten, wenngleich Alexis Bledel in einem Interview sagte: “Wer die Gilmore Girls liebte, der wird auch die Fortsetzung lieben.” Sie hat leicht reden, schließlich ist sie die, die gegangen ist – und nicht die, die zurückgelassen wurde. Ich hingegen fürchte mich, habe Angst, bin leicht panisch beim Gedanken daran, dass am 25. November die Wunden wieder aufgerissen werden könnten. Wie sehen die Charaktere inzwischen aus? Und die Darsteller selbst? Wie hat sich das Drehbuch an den Tod von Edward Herrmann angepasst? Wird mich der Handlungsstrang erneut aufwühlen oder reichen sechs Stunden Miniserien-Comeback gar nicht aus, um wahren Fans erneut das Herz zu brechen?

Die Beantwortung all dieser Fragen rückt in greifbare Nähe. Bis dahin verstecke ich mich auf der Couch unter meiner Lieblingsdecke, schaue aus Trotz Amazon Prime Video und tröste mich damit, das nichts so unangenehm aufgesetzt und fehlgestaltet sein kann wie “Fuller House”. Außerdem sind es ja nur vier neue Folgen. Nina, quit being such a Dean.

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